Kickbacks und Angebotsabsprachen: Wie sich die Beschaffung bestechen lässt
Bestechung in Form von Kickbacks, Vorteilsgewährung und Angebotsabsprachen in der Beschaffung ist ein weit verbreitetes Übel.
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06. Dez 2022
Kickbacks und Angebotsabsprachen: Wie sich die Beschaffung bestechen lässt
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Bestechung in Form von Kickbacks, Vorteilsgewährung und Angebotsabsprachen in der Beschaffung ist ein weit verbreitetes Übel. Der Einkauf gehört zu den operativen Bereichen, die besonders anfällig für betrügerische Aktivitäten sind. Bestechungen sind Straftaten. Sie können für die Geschädigten – ob Unternehmen oder öffentliche Institution – sehr teuer werden. Zudem hebeln sie die Prinzipien der Marktwirtschaft aus. Besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern richtet Korruption bei den betroffenen Unternehmen erheblichen Schaden an. Aber vielmehr noch hindert sie diese Länder daran, einen nachhaltigen Entwicklungsfortschritt und damit eine Verbesserung der Lebenssituation für die Bevölkerung zu erzielen. Dies sind mehr als gute Gründe, illegalen Praktiken einen Riegel vorzuschieben. Wer Vorteilsnahme und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr vorbeugen will, muss allerdings über professionelle Tools verfügen, um diese zu identifizieren. Fraud-Indikatoren – sogenannte „Red Flags“ – helfen dabei.
Procurement Fraud umfasst jegliche Art der rechtswidrigen Manipulation des Beschaffungsprozesses mit dem Ziel, sich Vorteile zu verschaffen. Es gibt verschiedene Ausprägungen von unlauterer Vorteilserlangung innerhalb des Beschaffungsprozesses. Sie wirken sich auf Ausschreibungsverfahren und Auftragsvergabe aus und stehen somit einem wirtschaftlichen Einkaufsprozess entgegen. Die dolosen Handlungen gehen dabei häufig – durch kollusives Zusammenwirken – von Lieferanten und Mitarbeitern aus. Das Resultat ist in der Regel immer das gleiche: Unternehmen erhalten Waren oder Dienstleistungen nicht in der Qualität oder zu den Konditionen, die ihrem originären Interesse entsprechen. Je nach Ausprägung und Reifegrad des Kontrollumfeldes sowie des Entwicklungsstands des Compliance Management Systems kann Procurement Fraud zudem dazu führen, dass die Geschädigten sich mit dem Vorwurf von Compliance-Verstößen und der Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten konfrontiert sehen. Es gibt also mehr als einen guten Grund, mit einem effektiven Fraud Management wirtschaftskriminelle Handlungen im Einkauf systematisch aufzudecken – oder ihnen besser noch vorzubeugen.
Fraud Red Flags: Indikatoren für Wirtschaftskriminalität...
Wer Fraud im Unternehmen bekämpfen will, muss ihn erkennen. Dabei helfen die sogenannten „Fraud Red Flags“. Red Flags sind Warnsignale – Indikatoren für potenzielle wirtschaftskriminelle Handlungen. Sie weisen auf ein von der Norm abweichendes Verhalten hin, das weiterer Untersuchung bedarf, und dienen der proaktiven Erkennung von fraudulenten Aktivitäten in Unternehmen und Organisationen. Red Flags sind noch keine Beweise für Fraud. Isoliert betrachtet haben sie wenig Aussagekraft. Tauchen sie aber wiederholt, vermehrt oder in bestimmten Konstellationen auf, sollten Unternehmen aktiv werden und im Rahmen eines risikoorientierten Prüfungsansatzes geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Ordnungsmäßigkeit der jeweilig auffälligen Geschäftsvorfälle zu verifizieren. Denn je mehr Red Flags sich identifizieren lassen, desto höher das Fraud Risiko. Allerdings gehen die Warnsignale oftmals in der Flut der Systeminformationen unter. Ohne geeignete Tools und Methoden werden sie bei Audits deshalb oft nicht identifiziert. Gerade die Vorkommnisse und Einflüsse der letzten Jahre machen diese Aufgabe nicht leichter. Durch die Covid-Pandemie und den Krieg in der Ukraine und der damit einhergehenden Verknappung sind Preise für Waren und Dienstleistungen einer enormen Volatilität ausgesetzt. Was noch vor ein paar Jahren eine auffällige Red Flag gewesen wäre, kann heute ein durchaus marktgerechter Preis sein. Daher ist es wichtiger denn je, die entsprechenden Fraud-Pattern zu kombinieren und mit geeigneten Tools und Methoden zu untersuchen.
... die aber nicht notwendigerweise gleich Fraud bedeuten
Red Flags können sehr aufschlussreich sein. Allerdings handelt es sich nicht bei jeder Abweichung von der Norm um Betrug. In den meisten Fällen gibt es eine einfache Erklärung – oder es liegt schlicht ein Fehler im System vor. Angesichts einer Pandemie und einer militärischen Auseinandersetzung mitten in Europa sind zudem einige der genannten Indikatoren mit Vorsicht zu genießen. Wenn die Einkaufsvolumina steigen, ohne dass es mehr Geschäft gibt oder das Lager sich füllt, oder wenn sehr hohe Preise berechnet werden, sind das mögliche Hinweise auf dolose Handlungen in der Beschaffung. Allerdings können auch unterbrochene Lieferketten und drastisch gestiegene Marktpreise die Ursache für vermeintliche Unregelmäßigkeiten sein. Wichtig in diesem Zusammenhang ist deshalb, zu analysieren, inwiefern die Beschaffungskosten allgemein gestiegen sind.
Kickbacks: Großer Schaden durch verdeckte Provisionen
Rückvergütungen an eine vermittelnde Partei durch den vermittelten Anbieter sind vom Grundsatz her problematisch, weil der Vermittler in einem Interessenskonflikt steht: Er verfolgt mit seiner Empfehlung für den Anbieter auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse. Ist die Provisionszahlung verdeckt, ist sie deshalb rechtswidrig. Der Einkauf einer Organisation ist prädestiniert für illegale Absprachen, die Kickbacks beinhalten. Verdeckte Zahlungen von Lieferanten an Personal führen dazu, dass Verträge abgeschlossen werden, die sonst nicht zustande gekommen wären, weil die Konditionen nicht im Interesse des Unternehmens sind, oder dass Produkte beziehungsweise Dienstleistungen überbezahlt werden. Die Mechanik von Kickbacks ist simple: Der Lieferant stellt eine überhöhte Rechnung. Der Mitarbeiter regelt die interne Freigabe. Die Differenz zwischen dem abgerechneten und dem tatsächlichen Preis wird geteilt. Das kostet dem Unternehmen viel Geld.
Fraud-Pattern bei Kickbacks: Indikatoren
Je nachdem, auf welcher Stufe des Beschaffungsprozesses Fraud in Form von Kickbacks ansetzt, sollten Unternehmen nach den folgenden Fraud-Pattern Ausschau halten:
Bei den Lieferantenbeziehungen:
- Konzentration auf einen bestimmten Lieferanten
- Steigendes Einkaufsvolumen bei einem bestimmten Lieferanten
- Im Hinblick auf die Bestellhistorie ungewöhnlich lange Lieferzeiten
- Keine Rabatte und Spezialangebote mehr bei einem bestimmten Lieferanten
- Nutzung eines kleinen Anbieterkreises
- Produkt/Materiallieferant stellt plötzlich zusätzlich Dienstleistung in Rechnung
- Verkäufe an einen Kunden, der gleichzeitig Lieferant ist
Bei Bestellanforderung und Bestellung:
- Steigende Einkaufsvolumina, die nicht mit vermehrter Geschäftsaktivität oder wachsenden Lagerbeständen einhergehen
- Mehrere kleine Bestellungen desselben Produkts, um Genehmigungsprozesse zu umgehen
- Unklarer Bestellgrund – insbesondere im Hinblick auf bestimmte Lieferanten
- Wenige oder keine Angaben zur bestellten und/oder gelieferten Ware
- Plötzliche Aktivität in inaktiven Konten
Beim Wareneingang:
- Fehlender Wareneingangsbeleg
- Ungewöhnlich hohe Lagerbestände ohne nachvollziehbare Gründe
Bei Rechnung und Bezahlung:
- Ungewöhnlich hohe Preise
- Wiederholte Zahlungen sehr ähnlicher Beträge an einen Lieferanten
- Geldtransaktionen zu unüblichen Zeiten oder außerhalb der Geschäftszeiten
- Doppelte Zahlungen
- Sehr prompte Begleichung von Rechnungen eines Lieferanten im Vergleich zu Zahlungszielen anderer Lieferanten
- Zahlungen mit einem Volumen, das den Durchschnitt für einen bestimmten Lieferanten übersteigt
- Zahlungen mit einem Volumen, das den Gesamtdurchschnitt übersteigt
- Bestellbetrag ist höher als Rechnung
- Rechnung ist höher als Bestellbetrag
- Rechnung wurde zu ungewöhnlichen Zeiten erfasst
Angebotsabsprachen: Die Versuchung Ausschreibungsverfahren
Ausschreibungsverfahren durch Zuwendungen zu beeinflussen, ist ein Bestechungs-Klassiker. Ein Anbieter kann so zum Beispiel bewirken, dass die Spezifikation der Ausschreibung in seinem Sinne geändert wird oder sie ihm vorzeitig zukommt. Bei einer illegalen Absprache zwischen Mitarbeitern des ausschreibenden und des anbietenden Unternehmens profitieren beide Seiten persönlich finanziell vom Zuschlag für einen Auftrag. Dabei wird nicht nur das ausschreibende Unternehmen geschädigt. Auch der Wettbewerb wird beschränkt.
Fraud-Pattern bei Angebotsabsprechen: Indikatoren
Verdächtig im Zusammenhang mit Ausschreibungen sind folgende Indikatoren:
Bei den Lieferantenbeziehungen:
- Genehmigung eines neuen Lieferanten und Freigabe der Zahlungen an diesen Lieferanten durch dieselbe Person
- Fiktiver Anbieter (fällt auf durch ausschließliche Barzahlungen sowie nicht verifizierbare Konto- und Adressdaten)
- Besonders viele Zuschläge für einen Lieferanten
- Gleicher Lieferant bietet unter verschiedenen Namen
Bei der Ausschreibung:
- Regelmäßiger Zuschlag für das jeweils letzte Angebot
- Möglichkeit für Lieferanten, Angebot nach der Ausschreibung aufzustocken
- Sehr kurze Angebotsfrist
- Sehr spezifische Ausschreibung, um Zahl der Angebote einzuschränken
- Aufteilung der Ausschreibung in mehrere Ausschreibungen, um Genehmigungsgrenze zu umgehen
- Angebote liegen im Hinblick auf Höhe und Spezifikationen sehr dicht beieinander
- Fallende Angebotspreise, sobald ein neuer Lieferant dem Verfahren beitritt
- Annahme von Angeboten nach Ablauf der Angebotsfrist
Bei Bestellanforderung und Bestellung:
- Aufträge werden ohne Ausschreibung vergeben, obwohl Richtlinien und Corporate Governance Ausschreibungsverfahren vorsehen
- Geschätzte Kosten eines Auftrags liegen knapp unter der Genehmigungsgrenze
- Änderungen der Kostenspezifikationen nach Auftragsvergabe
Bei Rechnung und Bezahlung:
- Rechnungen für nicht gelieferte Ware
- Preise über dem Marktpreis
Vorbeugen ist besser als heilen
Fraud kann teuer werden. Unternehmen sollten dolosen Handlungen deshalb möglichst vorbeugen. Ein Red-Flags-System kann helfen, verdächtige Aktivitäten in besonders gefährdeten Bereichen wie der Beschaffung zu identifizieren. Wesentlich sind aber zusätzlich Regeln, die dolose Handlungen im täglichen operativen Geschäft erschweren. Eine etablierte Compliance-Kultur sorgt dafür, dass unternehmensinterne Vorgaben ebenso eingehalten werden wie die Konformität gegenüber gesetzlichen Anforderungen. Voraussetzung dafür, potenzielle Risiken zu erkennen und Szenarien von Procurement Fraud zu entwickeln, ist allerdings immer ein exaktes Verständnis vom Ablauf des Beschaffungsprozesses. Idealerweise setzt das Unternehmen dafür ein interdisziplinäres Team aus Fachabteilungsmitarbeitern und Experten ein. Letztere sind im Übrigen unumgänglich, wenn ein Fraud-Verdacht besteht oder – im Worst Case Scenario – bereits ein konkreter Fall vorliegt. Hier sind eine schnelle Reaktionszeit, die richtigen Kompetenzen und sehr häufig auch eine internationale Einsatzbereitschaft gefragt.
Datum
06. Dez 2022
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Senior Managing Director
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