Reputation at Stake
Wenn Sorgfaltspflichtverstöße in der Lieferkette den Ruf und das Geschäft schädigen
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04. Apr 2024
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Im Kampf gegen menschenunwürdige Produktionsbedingungen wurde vom Bundestag ein Gesetzentwurf angenommen, der Unternehmen durch definierte Sorgfaltspflichten zur Achtung von Menschenrechten verpflichten soll. Auf EU-Ebene gab es am 15. März eine Einigung zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Das deutsche LkSG, das bereits 2023 in Kraft getreten ist, verschärft sich in diesem Jahr. Es gilt nun für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland.
Neben unternehmensseitigen zusätzlichen Berichtspflichten und möglichen Anpassungen in der Corporate Governance und Beschaffungsstrategie kommt dem sogenannten „Court of Public Opinion“ hier eine entscheidende Rolle als potenziellem „Kläger“ und „Richter“ über angebliche oder tatsächliche Verstöße in der Lieferkette zu. Denn nicht nur Lücken in Reportingpflichten bergen ein Risiko, sondern auch Stakeholder wie etwa Konsumenten oder NGOs die vermeintliche oder tatsächliche Missstände aufdecken und öffentlich bekannt machen. Werden Vorwürfe zu Verstößen in der Lieferkette nicht ernst genommen und die Eskalation nicht schnell und diszipliniert adressiert, dann können weitere Stakeholder zu Kritikern oder schlimmstenfalls zu Aktivisten werden, die sich gegen das Unternehmen richten. Marke und Unternehmenswert können so in kürzester Zeit einen signifikanten Schaden erleiden und im ungünstigsten Fall kann das Unternehmen am Markt ins Abseits geraten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen können verheerend sein: Kunden und Geschäftspartner wenden sich ab, es kann zu Auftragsrückgängen und Umsatzeinbußen kommen und bei börsennotierten Unternehmen kann sich dies auch im Rückgang des Aktienkurses widerspiegeln. Sollten vor diesem Hintergrund vermeintliche oder tatsächliche Verstöße in der Lieferkette vor Gericht behandelt werden, kann der Schaden für Reputation und Geschäft noch größer ausfallen.
Sich vor Risiken schützen
Neben einem gut aufgesetzten Krisenmanagement für den Akutfall zahlt sich vor allem eine robuste Vorbereitung auf derartige Krisenfälle sowie die Prävention aus.
Diese beginnt bei der internen, interdisziplinären Auseinandersetzung mit dem LkSG sowie der sorgfältigen Umsetzung der dort enthaltenen Vorgaben wie beispielsweise der Einführung bzw. Erweiterung von Lieferantenrichtlinien und Berichtspflichten. Das Einbeziehen der Belegschaft empfiehlt sich klar bei der Risikoidentifizierung. Denn oftmals können zum Beispiel die eigenen Mitarbeiter durch ihr Wissen hilfreiche Einblicke geben und helfen, potenzielle Risiken mit aufzudecken oder ihnen vorzubeugen.
Zudem sollte eine Qualitätssicherung in Form von ausgewählten Audits und anerkannten Zertifizierungen zu den Standard-Vorkehrungen gehören. All diese Maßnahmen helfen bei der kommunikativen Arbeit im Ernstfall eines Verstoßes, da sie wirkungsvoll belegen, dass das Unternehmen seine Verantwortung grundsätzlich anerkennt und dementsprechend bereits gehandelt hat.
Die akute Krise professionell managen
Kommt es zu einem angeblichen oder tatsächlichen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht und werden diesbezüglich Vorwürfe gegen das Unternehmen erhoben, können die bereits ergriffenen Maßnahmen die Argumentation und Glaubwürdigkeit des Unternehmens im Umgang mit den erhobenen Vorwürfen stärken. Darüber hinaus beinhaltet die „Crisis Preparedness“ die Etablierung eines interdisziplinären Krisenstabs, der alle erforderlichen Sichtweisen und Funktionen zur Bewältigung der Krise an einen Tisch bringt. Denn eine Verantwortungsdiffusion durch ungeklärte Zuständigkeiten oder fehlende Informationen kann im Ernstfall schnell zu kritischen Verzögerungen im Umgang mit den erhobenen Vorwürfen oder vorschnellen Aussagen führen, die später zurückgezogen werden müssen. Um dynamisch in der Krise reagieren zu können, braucht es zudem ein klares Verständnis für die relevanten Stakeholder bzw. eine Priorisierung derer, die vorranging in der Kommunikation zu berücksichtigen sind. Diese Priorisierung kann sich teilweise auch direkt aus vertraglichen Verpflichtungen ableiten.
Schnell muss sich dann die Taskforce für eine erste strategische Kommunikationshaltung in Bezug auf die Art und Weise der Öffnung zu dem jeweiligen Thema entscheiden. Diese Haltung muss den Sachstand bzw. die sich parallel und kontinuierlich ergebenden Ergebnisse aus der Untersuchung des Vorfalls in der Lieferkette einbeziehen. Für die eigentliche Kommunikation mit den Stakeholdern sind abgestimmte Kernbotschaften essenziell, die konsistent über Formate und Kanäle hinweg kommuniziert werden. Die Einrichtung eines Echtzeit-Monitorings aller relevanten klassischen und soziale Medien stellt sicher, dass auch von außen wertvollen Informationen in die strategische Ausrichtung und kontinuierliche Anpassung der Kommunikation einfließen. Mit Blick auf die weitere Entwicklung sollten darüber hinaus potenzielle rechtliche Auseinandersetzung antizipiert und vorbereitet werden. Eine solide rechtliche Strategie, flankiert von glaubwürdigen Botschaften für den „Court of Public Opinion“ hilft dabei, das Vertrauen der Stakeholder zu erhalten und das Geschäft zu schützen.
Erreichbar sein, Verantwortungsbewusstsein signalisieren, Kommunikationshoheit erhalten
Im Allgemeinen sollte darauf geachtet werden, dass in einer akuten Krise mit teils noch ungeklärter Sachlage nur gesicherte Fakten kommuniziert werden. Eine erhöhte Kommunikationsdisziplin ist hier erforderlich – auch in dem Punkt, dass oftmals der Druck von extern durch sich häufende Anfragen zunimmt und gerade hier spekulative Aussagen sowie vorschnelle Versprechungen absolut zu vermeiden sind. Trotzdem ist die Vogel-Strauß Taktik keinesfalls angezeigt; denn so wird das kommunikative Vakuum durch andere besetzt, die Mutmaßungen anstellen und Unternehmen werden zu Getriebenen und verlieren die Kommunikationshoheit. Viel wichtiger ist es in den anfänglichen Momenten einer aufkommenden Krise Verantwortungsbewusstsein zu signalisieren sowie erreichbar für sämtliche Stakeholder zu sein. Es gilt hier die dort aufkommenden Fragen und Sorgen aus deren Perspektive zu antizipieren und je nach Sachlage und Entscheidung zum Vorgehen im Krisenstab bei den einzelnen Gruppen proaktiv oder reaktiv zu adressieren. Im Idealfall existiert bereits ein Krisenhandbuch, auf das sich der Krisenstab und die Kommentatoren beziehen können. Entwürfe für Stellungnahmen, Q&A-Kataloge, Kunden- und Mitarbeiterkommunikation können auf dieser Basis schneller aufgesetzt und auf den tatsächlichen Fall hin angepasst werden. Das erspart im Ernstfall viel Zeit und macht das Unternehmen kommunikativ schneller handlungsfähig. Im Verlauf der Krise und der sich entwickelnden Faktenlage wird der neue Sachstand je nach Relevanz für die Stakeholder nach und nach in die Kommunikation eingeflochten. So kann die Krise im Verlauf kommunikativ professionell begleitet werden, bis sie schließlich bewältigt ist und das Unternehmen wieder in die „Vorwärtskommunikation“ schalten kann.
Datum
04. Apr 2024