3 Dinge, die Sie vielleicht überraschen werden
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14. Nov 2022
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Weltweit stehen ESG-Initiativen (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) ganz oben auf der Agenda. Dies führt in vielen Ländern zur Einführung neuer Gesetze zum Management von Lieferketten im Unternehmenssektor. Ziel ist es, Unternehmen in Bezug auf die Erfüllung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und den Schutz der Umwelt an Standorten, von denen sie Waren und Rohstoffe beziehen, in die Pflicht zu nehmen.
Am 1. Januar 2023 wird Deutschland Teil dieser globalen Bewegung, wenn das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten („LkSG“) in Kraft tritt. Der auch als „Lieferkettengesetz“ bezeichnete Rechtsrahmen setzt mit strengen Anforderungen neue Standards. Unternehmen, die sich des Anwendungsbereichs des LkSG nicht bewusst sind, könnten überrascht sein, wie weitreichend das Gesetz ist, insbesondere im Gegensatz zu bestehenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland.
Überraschung 1: Viele Unternehmen fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes.
Das LkSG gilt nicht nur für deutsche Unternehmen, sondern auch für multinationale Unternehmen mit Standorten in Deutschland. Insbesondere Unternehmen mit einer Hauptniederlassung oder einem Verwaltungssitz in Deutschland, die in der Regel mindestens 3.000 Mitarbeiter über einen Vertrag aus dem Ausland beschäftigen oder eine Niederlassung ähnlicher Größe haben, fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes. (Am 1. Januar 2024 sinkt die Mindestanzahl an Mitarbeitern auf nur 1.000.)
Überraschung 2: Das Gesetz sieht umfangreiche Sorgfaltspflichten vor.
Mit dem LkSG sollen Unternehmen dazu gezwungen werden, die in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen niedergelegten ESG-Richtlinien einzuhalten. Damit reichen die Sorgfaltspflichten über das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich hinaus und erstrecken sich auf das Handeln von vertraglichen Geschäftspartnern und Zulieferern über die gesamte Lieferkette.
Überraschung 3: Hohe Strafen bei Verstößen.
Das neue Gesetz ist nicht nur ein Papiertiger: Unternehmen müssen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Regelungen mit erheblichen Bußgeldern rechnen, die bei Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 400 Mio. Euro bis zu 2% des weltweiten Jahresumsatzes ausmachen können.
Was dies konkret heiß, wird am Beispiel eines in London ansässigen Unternehmens mit einem weltweiten Jahresumsatz von 500 Mio. Euro, Geschäftsaktivitäten in Frankfurt und Beschaffung von Rohstoffen aus Chile deutlich. Gemäß LkSG dürfen deutsche Behörden ein solches Unternehmen für die Einhaltung von ESG-Vorschriften zur Rechenschaft ziehen, die Handlungen betreffen, die Tausende von Kilometern entfernt auf einem anderen Kontinent stattfinden, mit einer potenziellen Haftung bis zu 10 Mio. Euro.
Weitreichende Pflichten
Mit dem neuen Gesetzt lastet große Compliance-Verantwortung auf den Unternehmen. So müssen Unternehmen beispielsweise ihre internen Geschäftsabläufe und Lieferkette prüfen, um zu gewährleisten, dass es nicht zu Verstößen gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten kommt, und entsprechende Maßnahmen ergreifen. (Laut Gesetz wird jedoch nur der Versuch erwartet, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen; es besteht keine Verpflichtung zur erfolgreichen Abhilfe oder eine Rechenschaftspflicht.)
Ein Kernelement des Sorgfaltspflichtenrahmens ist die Einrichtung eines Risikomanagements, um menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken zu ermitteln, diesen vorzubeugen oder sie zu minimieren. Das Gesetz sieht wesentliche Präventions- und Behebungsmaßnahmen und die Einrichtung von Beschwerdeverfahren vor und verlangt eine regelmäßige Berichterstattung.
Laut LkSG müssen Unternehmen zudem beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) jährlich einen Bericht über die ergriffenen Maßnahmen zur Identifizierung von Risiken, Verfahren zu Sorgfaltspflichten und Behebungsmaßnahmen in Bezug auf die Lieferkette einreichen. Des Weiteren ist vorgesehen, dass Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten, beispielsweise ein Whistleblower-System.
Verfügen Sie über die nötigen Ressourcen?
Stellen Sie sich vor, Sie werden als in London ansässiges Unternehmen wegen möglicher Nichterfüllung von Vorschriften in Chile von den deutschen Behörden zur Rechenschaft gezogen. Dies hat weitreichende Auswirkungen und wirft vielfältige Fragen auf:
Verfügen Sie über die nötigen Ressourcen, um die Themen ordnungsgemäß und fristgerecht angehen zu können? Pflegen Sie gute Beziehungen zu den Zulieferern und Anbietern vor Ort, um Beweise sammeln zu können? Sind Ihre BAFA-Berichte richtig und klar? (Dabei ist zu beachten, dass diese Berichte vor Gericht von interessierten Dritten (z. B. NGOs, Gewerkschaften und sogar Wettbewerbern) als Beweis herangezogen werden können.)
Im Rahmen einer guten Governance versuchen alle Unternehmen, Risiken zu reduzieren. Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder Plänen für eine Präsenz auf dem deutschen Markt im Rahmen einer Fusion, Akquisition oder Expansion sollten sich intensiv mit den Regelungen des LkSG auseinandersetzen und bei Inkrafttreten des Gesetzes gut vorbereitet sein. So lassen sich Überraschungen am besten vermeiden.
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Datum
14. Nov 2022
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