Rechtsstreitigkeiten bei komplexen Bauvorhaben vermeiden: Was unsere Expertin und Bauingenieurin den Beteiligten rät
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20. Jan 2023
Rechtsstreitigkeiten bei komplexen Bauvorhaben vermeiden: Was unsere Expertin und Bauingenieurin den Beteiligten rät
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Projektentwickler, Bauunternehmen, Behörden und andere in der aktuell unsicheren Wirtschaftslage ohnehin bereits unter Druck stehende Parteien können mit bestimmten Maßnahmen das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen und erheblicher Projektverzögerungen minimieren.
Bei allen Bauprojekten besteht das Risiko unerwarteter Kosten. In Deutschland, wo Rekordinflation, steigende Energiepreise und ein turbulenter Immobilienmarkt die Baubranche verunsichern, wiegt dieses Kostenrisikos wohl so schwer wie nie zuvor. Der daraus resultierende Druck kann zu teuren Rechtsstreitigkeiten und langwierigen Verzögerungen führen.
Dr. Nicole Mörchen, Managing Director bei FTI Consulting, ist Expertin in der Analyse von Schäden, die bei der Planung und Umsetzung großer Bauprojekte entstehen. Als promovierte Bauingenieurin und mit ihrer Erfahrung als Projektmanagerin hat sie einen einzigartigen Blick dafür, wie es zu Streitigkeiten und Verzögerungen kommt und wie sich solche Probleme vermeiden lassen. „
Alle Projektbeteiligten gehen erst einmal mit einer positiven Einstellung an die Sache heran und denken nicht daran, dass es zu Streitigkeiten kommen könnte“, so Dr. Mörchen. „Sie denken, es wird allenfalls kleinere Verzögerungen geben.“
Dr. Mörchen empfiehlt den Projektbeteiligten bei Bauvorhaben, sich sofort mit auftretenden Problemen auseinanderzusetzen – besonders bei der heutigen volatilen Wirtschaftslage. Sie meint zudem, dass Kunden in den Phasen der Planung und Umsetzung zahlreiche Maßnahmen ergreifen können, um das Risiko späterer Rechtsstreitigkeiten und Verzögerungen zu minimieren. Im Folgenden liefert Dr. Mörchen Denkanstöße für Bauunternehmer, Projektentwickler, Behörden und andere Stakeholder.
FTI Consulting: Welche von den Beteiligten häufig übersehenen Merkmale haben große Bauprojekte aus Ihrer Sicht als Bauingenieurin allesamt gemein?
Dr. Mörchen: Die Durchführung eines Bauvorhabens ist ein iterativer, oft nichtlinearer Prozess. Unabhängig von der Art des Projekts ist die Zeitplanung oft sehr ambitioniert. Dieser Zeitdruck macht es schwierig, die verschiedenen voneinander abhängigen Planungsaspekte unter einen Hut zu bringen, besonders wenn sich zusätzliche Anforderungen ergeben, die in früheren Bauphasen hätten umgesetzt werden sollen.
FTI Consulting: Welche Prioritäten sollten Unternehmen vor Beginn eines Projekts setzen, um das Risiko eines Rechtsstreits zu reduzieren?
Dr. Mörchen: Sie sollten mit solidem Projektmanagement und erfahrenen Projektmanagern beginnen. Und das Projekt sollte sorgfältig geplant werden. Wichtig ist auch, alle geplanten Aktivitäten und Prozesse zu dokumentieren, damit im Streitfall Unterlagen vorliegen, auf die man sich berufen kann. Als nächstes sollte man an Verhandlungen mit den Bauunternehmen denken. Manche werden bei einem unerwarteten Kostenanstieg nervös oder wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Alle Parteien sollten bereit sein, auftretende Probleme und die Konsequenzen unverzüglich zu erörtern. Denn die Probleme werden sich nicht in Luft auflösen.
FTI Consulting: Nehmen wir an, es kommt zu einem Rechtsstreit. Worauf richtet sich Ihr Augenmerk bei der forensischen Untersuchung eines Bauprojekts?
Dr. Mörchen: Meine Aufgabe ist es, festzustellen, wo die Umsetzung von der Planung abgewichen ist – deshalb ist es hilfreich, Aufzeichnungen zu führen, die sämtliche Änderungen dokumentieren. Ich möchte wissen, wie die Parteien bei der Planung des Bauprojekts vorgegangen sind und welche Aspekte ihre Entscheidungen beeinflusst haben. Falls es Änderungen gab, was waren die Ursachen und Auswirkungen?
FTI Consulting: Können Sie erläutern, inwiefern sich Ihre Expertise und Analyse in puncto Verzögerungen, Unterbrechungen und Leistung der Planer möglicherweise von der anwaltlichen Prüfung unterscheidet?
Dr. Mörchen: Ein großer Unterschied ist meine Erfahrung als Projektmanagerin und Bauingenieurin. Da ich mehrere Jahre als Bauingenieurin tätig war, kann ich beurteilen, wie kleine Planungsentscheidungen erhebliche Auswirkungen auf ein Projekt haben können. Auch meine Denkweise unterscheidet sich. Während ein Anwalt beispielsweise einen Sachverhalt eher insgesamt betrachtet, kann ich technische Details besser beurteilen. Zudem kann ich technische Fragen mit den Ingenieuren besprechen und dann gewissermaßen für die Beteiligten „übersetzen“. Das heißt, es ist hilfreich, dass ich die gleiche Sprache spreche wie die Ingenieure.
Datum
20. Jan 2023
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