Vier Fragen, die sich Einzelhändler zur Verbesserung der Stabilität stellen sollten
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30. Nov 2022
Vier Fragen, die sich Einzelhändler zur Verbesserung der Stabilität stellen sollten
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Während Unternehmen weltweit unter der hohen Inflation, Energieknappheit und Störungen in den Lieferketten leiden, machen sich die Auswirkungen an den einzelnen Märkten unterschiedlich bemerkbar.
Dies zeigt sich vielleicht nirgendwo deutlicher als im stationären (konventionellen) Einzelhandel in Deutschland. Einige Einzelhändler bekommen massive Liquiditätsprobleme, da Verbraucherausgaben zu schwinden und Lagerbestände anzuwachsen beginnen. Diese Situation hat die Branche in eine Existenzkrise geführt, die die Frage aufwirft, wie es gelingen kann, kurzfristig über die Runden zu kommen.
Wie in jeder konjunkturellen Abschwungphase sind Opfer nicht zu vermeiden. Mit der Beantwortung der folgenden vier Fragen lassen sich jedoch Lösungen für den stationären Einzelhandel entwickeln, die die kurz- und langfristige Stabilität verbessern und gleichzeitig eine bessere Positionierung für die Zeit nach der Krise ermöglichen, wenn die Kunden zurückkehren.
Frage 1: Sollte ich Preisnachlässe auf Lagerbestände gewähren, um meine Liquidität zu verbessern?
Die Antwort hängt von mehreren Aspekten ab, beispielsweise von der Art der verkauften Produkte und der eigenen Marktmacht. Einzelhändler, deren Angebot sich in hohem Maße auf saisonale Produkte und/oder Mode stützt (z. B. Bekleidung und Bau-/Möbelmärkte) müssen Platz in ihren Lagern schaffen, bevor sie Produkte für die nächste Saison anschaffen und lagern können. Als kleinerer Einzelhändler mit solchen saisonalen Angeboten sollte man Rabatte in Erwägung ziehen (siehe Frage 2 zum zeitlichen Aspekt). Größere Einzelhändler mit starker Vertikalisierung sind eventuell in der Lage, die unmittelbare Krise auszusitzen und Preisnachlässe noch zu verschieben. Auch Einzelhändler mit nicht-saisonalen Produkten, beispielsweise zeitlosen Design-Klassikern, können unter Umständen diese Strategie fahren.
Frage 2: Wenn ich mich für Preisnachlässe auf meinen Lagerbestand entscheide, wann sollte ich dies tun?
In die Beantwortung dieser Frage fließen viele Aspekte ein. Einzelhändlern mit saisonalen und Modeprodukten steht nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung, in dem sie ihre Ware an den Kunden bringen müssen. Sie sind gezwungen, ihren Lagerbestand durch Preissenkungen oder Verkauf an Zweitverkäufer abzubauen, um so genügend Liquidität für den Kauf der Ware der nächsten Saison zu gewährleisten. Da zu erwarten steht, dass die Konjunktur ihren Abwärtstrend Anfang 2023 fortsetzen wird, ist es besonders wichtig, Waren vor Weihnachten 2022 zu verkaufen.
Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, wann mit dem Schlussverkauf begonnen werden sollte und in welchem Umfang Preissenkungen vorgenommen werden sollten, gibt es jedoch nicht. Beginnt der Schlussverkauf beispielsweise zu früh und auf zu hohem Preisniveau, hat dies negative Auswirkungen auf sowohl die Rentabilität als auch das Markenimage (wovon sich Einzelhändler eventuell nicht mehr erholen können). Eine zu zögerliche Herangehensweise wiederum kann zu einer Abwanderung von Kunden und unzureichend reduzierten Lagerbeständen führen – solche Händler bleiben im Wesentlichen auf ihren Waren sitzen.
Kurzum: Der richtige Zeitpunkt und die richtigen Preispunkte im Rahmen von Nachlässen hängen von (beispielsweise von Kapitalgebern festgelegten) Liquiditätsanforderungen und dem jeweiligen Wettbewerbsumfeld ab.
Frage 3: Welche anderen Maßnahmen sollte ich in Erwägung ziehen, um gebundene Liquidität freizusetzen?
Hier gibt es zwei Maßnahmen. Die erste konzentriert sich auf die Sicherstellung der Finanzierung für die Saison:
- Externe Finanzierung: Damit lässt sich der kurzfristige Druck verringern, indem bevorstehende saisonale Kreditlinien vorfinanziert werden können.
- Interne Finanzierung: Eine bessere Verwaltung des Working Capital kann Mittel freisetzen. Beispielsweise kann der Einzug von Forderungen beschleunigt, die Erfüllung von Verbindlichkeiten (nach Verhandlung mit den Gläubigern) verzögert oder können Lagerbestände (z. B. durch einen Verkauf zu extrem niedrigen Preisen) optimiert werden. Letzteres mag im Hinblick auf eine potenzielle Schädigung des Markenimages nicht ideal, im Notfall aber notwendig sein, um sich mehr Zeit zu verschaffen.
Die zweite Maßnahme betrifft die Preisgestaltung und diesbezügliche künftige Strategien:
Entwicklung von Parametern für eine dynamische Preisgestaltung und/oder Verhandlungen unter Nutzung von Algorithmen zur kontinuierlichen Anpassung der Parameter. Dies umfasst u. a.:
- die Entwicklung eines Preissystems unter Einbeziehung von Marktinformationen wie Angebot und Nachfrage; eine kontinuierliche Verschiebung von Preissenkungen innerhalb einer Saison in Echtzeit auf der Grundlage verfügbarer Kundendaten.
- die Durchführung von Markt- und Wettbewerbsanalysen (wenn sich der Markt wieder normalisiert hat), um Preise gemäß der strategischen Ausrichtung festzusetzen.
- eine realistischere und dynamischere Forecastplanung für 2023.
Frage 4: Wie erreiche ich langfristige Stabilität?
Es mag merkwürdig erscheinen, aber genau jetzt könnte ein guter Zeitpunkt sein, um sich mit Maßnahmen auseinanderzusetzen, die Ihr Geschäft zukunftsfähig machen können. Wie allseits bekannt, erzeugen der Boom im Online-Shopping und das damit verbundene Verbraucherverhalten einen starken Marktdruck für stationäre Einzelhändler. Um sich an diese Situation anzupassen, sollten stationäre Einzelhändler ihre Alleinstellungsmerkmale im Hinblick auf die Möglichkeit einer stärkeren Ausrichtung auf den Onlinehandel genau unter die Lupe nehmen. Ziel ist die Schaffung von Synergien zwischen dem stationären Geschäft und dem Online-Geschäft, um so ein vertriebskanalübergreifendes Kundenerlebnis zu ermöglichen.
Da der gesamte Einzelhandelssektor einen Wandel in diese Richtung vollzieht, ist es für den stationären Handel zunehmend wichtig zu verstehen, welche Rolle Branding, Individualisierung und Nachhaltigkeit spielen, um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können. Die Fähigkeit, schnell auf Trends reagieren zu können, wird Einfluss darauf haben, wie erfolgreich sich eine Marke langfristig etablieren kann.
Fazit
Es steht außer Frage, dass momentan viele deutsche Einzelhändler – nicht nur stationäre Einzelhändler – einem beispiellosen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt sind und vor schmerzhaften, nie dagewesenen Herausforderungen stehen. Bei jedem Einzelhändler stellt sich die Situation jedoch individuell anders dar. Die vier Fragen oben könnten stationären Einzelhändlern die Bewältigung der Herausforderungen erleichtert und strategischen Spielraum für die Zeit nach der Krise verschaffen.
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Datum
30. Nov 2022