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Restrukturierungskommunikation in der Multikrise
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11. Mai 2023
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Als die Corona-Pandemie Anfang 2020 über die Welt hereinbrach, sah es so aus, als könnte es für Unternehmen kaum schlimmer kommen. Fast drei Jahre später beschäftigt uns Covid-19 noch immer. Vor allem aber ist ein Krieg in Europa hinzugekommen, der auf drastische Weise die weltwirtschaftliche Lage noch um ein Vielfaches prekärer und volatiler macht.
Schon heute zwingt dieses Umfeld manch deutsches Unternehmen, das eigene Geschäft zu restrukturieren oder einen solchen Schritt zumindest in Erwägung zu ziehen. Nicht wenige Experten prophezeien, dass dies erst der Anfang ist.
Außer Frage steht: Im aktuellen Umfeld sind Unternehmen im Ringen um finanzielle und operative Stabilität mit weitaus mehr Unwägbarkeiten konfrontiert, als dies noch vor kurzem der Fall war. Denn die Vielzahl an Krisen zusammen mit grundlegenden Herausforderungen, die schon vor der Pandemie existierten, schaffen einen einzigartigen Cocktail an Unsicherheit.
Akute Disruption von Angebot, Nachfrage und Finanzierungen
Der Krieg in der Ukraine stellt Unternehmen weltweit vor erhebliche Herausforderungen. Neben den negativen Auswirkungen auf die Beschaffung und den Transport von Waren entlang der Lieferketten treibt der Krieg auch die Preise für Rohstoffe und Energie in die Höhe. Dies drückt die Margen jener Unternehmen, die die Preissteigerungen nicht in voller Höhe an ihre Kunden weitergeben können. Die hohe Inflation würgt zugleich in vielen Bereichen die Nachfrage ab. Und die Gefahr einer Rezession dämpft die Nachfrage sowohl im B2C- als auch im B2B-Geschäft zusätzlich.
Damit nicht genug: Die Zentralbanken haben weltweit die Leitzinsen angehoben und so die Rahmenbedingungen für Kredite spürbar verschlechtert. Finanzinvestoren und Unternehmen sind angesichts der Veränderungen an den Kapitalmärkten risikoavers geworden, was den Zugang zu Eigenkapital und den Spielraum für Veräußerungen zu attraktiven Preisen erheblich einschränkt. Zudem müssen Unternehmen die vom Staat gewährten Corona-Hilfen zurückzahlen – was wiederum den so wichtigen Cashflow reduzieren kann.
Anhaltende strukturelle Herausforderungen, getrieben durch Megatrends
Doch der Krieg und seine akuten wirtschaftlichen Auswirkungen sind nur die eine Seite der Medaille. Nach wie vor ungelöst ist eine Reihe mittel- und langfristiger Herausforderungen, die ihren Ursprung vor der Coronakrise haben. Etwa das Thema Digitalisierung, das für die gesamte Wertschöpfungskette – von der Produktion bis zum Verkauf an den Endkunden – hohe Relevanz hat. Es zwingt Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle grundlegend zu transformieren. Auch die Dekarbonisierung fällt in diese Kategorie, geht dieser Megatrend doch mit immensem Investitionsbedarf und der Notwendigkeit einer Neuausrichtung insbesondere in der Automobil-, der Energie- und der Immobilienbranche einher. Ebenso im Fokus stehen die Themen ESG und Nachhaltigkeit: Hier haben Stakeholdergruppen von Investoren über Verbraucher bis hin zu Mitarbeitern ihre jeweils eigenen Erwartungen, die häufig nicht deckungsgleich sind, aber mit großer Vehemenz vorgebracht werden. Nicht zu vergessen sind schließlich die demografische Entwicklung und der daraus resultierende Arbeitskräftemangel. Dieser macht schon heute Unternehmen massiv zu schaffen – obwohl das Schlimmste erst noch bevorsteht.
Neue Rahmenbedingungen für die Restrukturierungskommunikation
Um vor diesem Hintergrund ihr Überleben zu sichern, werden manche Unternehmen in den kommenden Monaten und Jahren drastische Maßnahmen ergreifen müssen. Die Zahl der Restrukturierungen wird steigen. Vor allem aber werden vielfach aufgrund des zuvor beschriebenen Umfelds Unberechenbarkeit und Unwägbarkeiten zunehmen. Zugleich sinkt die Prognosefähigkeit. Damit werden Restrukturierungsprozesse, in denen die beschlossenen Maßnahmen angepasst und nachjustiert werden (müssen), deutlich wahrscheinlicher.
Restrukturierungskommunikation – schon in der „alten Welt“ nicht trivial – wird damit nicht einfacher. Sie hat im aktuellen Umfeld vor allem eine Aufgabe: Gut konzipiert und ausgeführt baut sie das Vertrauen der verschiedenen Stakeholder in das Unternehmen und seine Führungsmannschaft auf. Vor allem aber sichert sie es – selbst bei begrenzter Visibilität bezüglich Ergebnis und Zeitleiste des Restrukturierungsprozesses.
Zusätzliche Herausforderungen meistern
In Restrukturierungssituationen müssen Unternehmen zwei schwer vereinbare Aspekte auf einen Nenner bringen. Einerseits ist der Bedarf nach Informationen enorm. Die Stakeholder beobachten den Prozess millimetergenau, weil sie viel zu verlieren haben – von Arbeitsplätzen (Beschäftigte) über Wählerstimmen (Politik) bis hin zu Eigen- und Fremdkapital (Investoren). Andererseits sind präzise Vorhersagen und geordnete Prozesse oft unmöglich, weil nur schwer zu prognostizieren ist, wie sich Restrukturierungsmaßnahmen auswirken.
In einem volatileren Umfeld verstärkt sich dieser inhärente Widerspruch nochmals zusätzlich. Gute Restrukturierungskommunikation überzeugt in dieser Gemengelage gleichwohl möglichst viele Stakeholder so gut wie möglich – ohne ihnen genau erklären zu können, wie und wann die Restrukturierung endet. Selbstverständlich geht es auch künftig um Fakten und Ziele, um die Kommunikation beschlossener Pläne und Maßnahmen und deren Begründung. Gleichzeitig gewinnt jedoch die Demonstration zweier Attribute erheblich an Bedeutung: Kompetenz und Verbindlichkeit.
Kompetenz ist die Fähigkeit, die Krise zu überwinden. Die entscheidenden Stakeholder müssen davon überzeugt sein, dass das Management die Fähigkeiten hat, das Unternehmen aus der aktuellen Situation in eine bessere Zukunft zu führen. Essenziell für die Vermittlung von Kompetenz ist, nicht nur die Gründe für die Restrukturierung aufzuzeigen, sondern auch die Risiken, die die Rettung des Unternehmens erschweren könnten. Transparenz stärkt hier nicht nur die Glaubwürdigkeit – es untermauert die Kompetenz.
Verbindlichkeit ist nichts anderes als der unbedingte Wille, alles zu unternehmen, um das Unternehmen zu retten und wieder zu Wachstum und Profitabilität zu führen. Wenn die zentralen Stakeholder darauf vertrauen, dass die Unternehmensführung alles für die Rettung des Unternehmens tut, wird es einfacher, kritische und konfliktreiche Entscheidungen zu vermitteln. Essenziell für die Vermittlung von Verbindlichkeit ist, die Notwendigkeit einer
Restrukturierung zu untermauern, einen schlüssigen Aktionsplan zu präsentieren, und alle Stakeholder kontinuierlich zu den Fortschritten bei der Rettung des Unternehmens auf dem Laufenden zu halten.
Das Top-Management muss bei den Stakeholdern präsent sein und konsistent kommunizieren. Je nach Maßnahme und Anspruchsgruppe müssen selbstverständlich auch Führungskräfte unterhalb Kommunikationsaufgaben wahrnehmen. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
- Eine präzise Beschreibung der Herausforderungen und Risiken, die das aktuelle Umfeld an das Unternehmen stellt, ebenso wie Ziele und ein klarer Aktionsplan.
- Stakeholder regelmäßig über die für sie relevanten Maßnahmen zu informieren (etwa Fremdkapitalinvestoren über Schuldenschnitte, Arbeitnehmer über Stellenkürzungen). Dabei geht es nicht darum, alle vorhandenen Informationen unmittelbar und uneingeschränkt zu teilen. Ziel ist vielmehr, den Stakeholdern das Gefühl fortlaufender Einbindung zu geben, sensible Informationen aber geplant zu einem strategisch richtigen Zeitpunkt zu transportieren.
- Regelmäßig die Ziele und den groben Aktionsplan zu wiederholen und wenn nötig anzupassen, dabei die Gründe für die Anpassung nachvollziehbar zu erläutern.
- Unsicherheit durch Präsenz begrenzen. Das bedeutet, auch dann verfügbar zu sein, wenn Stakeholder drängende Fragen haben, es aber noch keine Antworten gibt.
Fazit
In einem turbulenten makroökonomischen und geopolitischen Umfeld ist mit einem weiteren Anstieg der Restrukturierungsfälle zu rechnen. Mehr noch: Viele Situationen dürften durch einen höheren Grad an Unsicherheit gekennzeichnet sein in der Vergangenheit. Doch mit der Unsicherheit steigt auch der Informationsbedarf der Stakeholder. Eine erfolgreiche Restrukturierungskommunikation kann deshalb nur dann Vertrauen schaffen und bewahren, wenn sie keine Zweifel lässt, dass das Top-Management das Unternehmen retten kann (Kompetenz) und auch retten will (Verbindlichkeit).
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Datum
11. Mai 2023
Ansprechpartner
Senior Managing Director